Unternehmensgeschichte der Brauerei "Zum Bäumchen"
unter der Führung von Johann Hubert
Steingass, Peter Mehr, Paul Becker, Wilhelm Berntgen, Joseph Spilles, Peter
Didolff, Theodor Nettesheim und Franz Degraa
Inhaltsverzeichnis (Navigation durch Anklicken der Kapitelnamen)
Die Geschichte der Brauerei an der Hohestraße 61 reicht weit
zurück, der erste bekannte Nachweis stammt aus den 1770er Jahren, vermutlich bestand
das Brauhaus aber schon wesentlich länger.
In folgendem Nachweis aus dem Jahr 1773 geht es um den Verkauf
des Brauhauses im Kontext einer Erbschaft.
[10:08.01.1773] „…Es dienet hiermit zur Nachricht, daß das
den Erbgenamen Röselings zuständige Brauhaus vor den Augustineren, zum
Bäumgen genannt, mit allem zur Brauerey erforderlichen Geschirre aus freyer
Hand zu verkaufen stehe. Die darzu Lusttragende haben sich desfalls in
obgedachtem Brauhause bey Erdgenamen Röselings zu melden…“
Neben der bemerkenswerten Sprache der damaligen Zeit liefert
die Anzeige einige weitere Informationen. Das Brauhaus, welches „zum Bäumgen“ genannt wurde, stand im Kontext eines Erbfalls zum Verkauf und
gehörte der Brauerfamilie Röseling.
Die Lage des Brauhauses wird mit „vor den Augustinern“
beschrieben. Gemeint ist hiermit das im 13ten Jahrhundert gegründete
Augustiner-Eremiten-Kloster St. Augustinus [11]. Bei der Besetzung Kölns
durch die Franzosen wurde es erheblich beschädigt und schließlich im Jahr
1807 abgerissen [11]. Die Straßennamen der damaligen Zeit waren meist sehr
pragmatisch hergeleitet. Oft bezog der Name sich auf das in der Straße
maßgebliche Gewerbe (Schildergasse, Unter Taschenmacher, Fleischmengergasse, …) oder auf ein
markantes Gebäude wie in diesem Fall. Die Straße, in der das Brauhaus „zum Bäumgen“ lag, hieß „vor den Augustinern“, weil die Straße vor dem
Augustinerkloster verlief. Auf dem nachfolgend abgebildeten Ausschnitt der
Mercatorkarte aus dem Jahr 1571 ist zu sehen, dass es auch die Straße „hinder
den Augustiner“ gab (wo die wohl gelegen war) sowie die Straße „in der
Augustinern“ [12].
(MK) [12]
Ausschnitt des Augustinerklosters aus der Mercator-Karte aus dem Jahr 1571.
Gut zu sehen ist, dass alle Straßen um das Kloster einfach nach ihrer Lage
zum Kloster benannt sind
(W003) [10:08.01.1773]
Im Jahr 1773 wurde von den "Erben Röselings" das Brauhaus "zum Bäumgen" vor
den Augustinerns zum Kauf angeboten
Die Brauerei unter Johann Hubert Steingass (1795)-(1797)
Der erste Brauer im Brauhaus „zum Bäumgen“, über den es mehr
Informationen gibt, ist Johann Hubert Steingass (auch: Steingaß). Johann
Hubert Steingass wurde vermutlich um 1730 geboren und heiratete am 21.
November 1752 Maria Margarethe Neuschwanger [13]. In den Jahren 1753 bis
1772 bekamen sie 9 gemeinsame Kinder (1753: Anton, 1755: Anna Gertrud, 1757:
Maria Sibylla, 1759: Anna Elisabeth, 1762: Christian, 1764: Wilhelm, 1767:
Johann Michael, 1770: Maria Sibylla, 1772: Anna Gertrud Elisabeth) [13].
Vermutlich hatte Johann Hubert Steingass das Brauhaus „Zum
Bäumgen“ von den Erben Röseling in Jahr 1773 erworben, zeitlich würde dies
passen, gesichert ist es aber nicht.
Die nächste Nennung des Brauhauses stammt aus dem Jahr 1791,
allerdings ohne den Namen des zugehörigen Brauers. In der Anzeige geht es um eine
Versteigerung, die „an den Augustinern gegen dem Brauhause zum Bäumchen über
gelegen“ stattfand [14:04.04.1791].
Im Jahr 1796 verstarb die Frau von Johann Hubert Steingass im
Alter von 65 Jahren. In der Meldung über ihren Tod, welche in den
Stadtkölnisch-gemeinnützigen Intelligenz-Nachrichten erschien, wurde sie mit
dem leicht abweichenden Namen „Anna Margaretha Steingaß geb. Neuschwengers“
bezeichnet, wohnhaft vor den Augustinern [15:27.02.1796].
Eine weitere Nennung des Brauhauses stammt aus dem Jahr 1796.
[14:04.04.1796] „…Besondere Anzeigen … 3) Auf Dienstag den
5ten l. M. wird im Brauhause zum Bäumchen auf der hohen Straße der Verkauf
allinger Meublen, nämlich: Tischen, Stühlen, schönen Schränkern, Leinwand,
und Frauen Kleidern; fort andrer Effekten, um die gewöhnlichen Stunden
wieder angefangen und so bis zu Ende damit fortgefahren…“
In dieser Anzeige wird das Brauhaus als „in der hohen Straße“
gelegen bezeichnet. Auch dies stimmt. Die Hohe Straße war im Mittelalter die
einzige durchgehend gepflasterte Straße Kölns und sie lag aus
Hochwasserschutzgründen über dem Stadtniveau. Also bezeichnete man sie
einfach als „Hohe Straße“ oder „Hochstraße“. Zur damaligen Zeit war die Hohe
Straße in verschiedene Abschnitte aufgeteilt, deren Namen wesentlich
gebräuchlicher waren. Die Straße „Vor den Augustiner“ war solch ein
Abschnitt. Erst ab dem Jahr 1813 setzten die Franzosen den Namen Hohe Straße
(oder vielmehr „rue haute“) verbindlich durch [16,17].
Im April 1796 stand das Brauhaus im Bäumchen durch Johann
Hubert Steingass selbst zum Verkauf.
[10:18.04.1796] „…Das auf der Hohenstraße gelegene, zum
Bäumgen benamsete und dem Meister Steingaß eigenthümlich zugehörige Brauhaus
wird auf Montag, den 25sten April, Nachmittags 2 Uhr aus freier Hand dem
Meistbietenden im Hause selbst verkauft und zugeschlagen werden. Liebhaber
können das Haus täglich in Augenschein nehmen und die Bedingnisse beim
Verkauf erfahren…“
Vermutlich wollte sich Johann Hubert Steingass, zu dieser Zeit
um die 65 Jahre alt, zur Ruhe setzen. Im Adressbuch des Jahre 1797 taucht er
noch einmal mit dem Eintrag „Johann Hubert Steingass, Brauerei „Zum
Bäumchen“, vor den Augustinern 6002“ auf, weitere Einträge sind nicht
bekannt [18].
(W001) [14:04.04.1796]
Im April 1796 wurden im Brauhaus zum Bäumchen auf der hohen Straße Möbel
versteigert
(W004) [10:18.04.1796]
Im April 1796 stand das Brauhaus "Zum Bäumgen" zum Verkauf. In dieser
Anzeige wird auch der Besitzer, Meister Steingaß, genannt
Die Brauerei unter Peter Mehl (1813)
Vermutlich übernahm Peter Mehl die Brauerei „Zum Bäumchen“ von
Johann Hubert Steingass Ende des 18ten Jahrhunderts, gesichert ist dies
durch einen
Eintrag in nächsten verfügbaren Kölner Adressbuch aber erst für das Jahr 1813. Im
in französischer Sprache der Besatzer gehaltenem Adressbuch dieses Jahres ist der
Eintrag „Mehl (Pierre) brasseur, R. Haute n. 61“ zu finden (Pierre = Peter,
brasseur = Brauer und R. Haute = Hohe Straße).
Peter Mehl war mit Anna Christina Schäfer verheiratet,
gemeinsam hatten mit Maria Anna, Anna Catharina und Maria Ursula 3 Töchter
[2:08.04.1822].
Für das Jahr 1809 ist eine Nennung der Brauerei bekannt, leider
ohne Angabe des Besitzers, aber immerhin ein Nachweis, dass die Brauerei zu
dieser Zeit weiter betrieben wurde.
[20:06.09.1809] „…Meubeln=Verkauf. Am künftigen Montag und an
den folgenden Tägen werden dahier auf der hohen Straße Nro 6002 nahe dey der
Schildergaße, verschiedene Meubel, als Bettwerk. Leinwand, Schränke,
Kommoden, Tische, Spiegel, Oefen, Porzellain, Kupfer, Zinn etc., viele große
Fäßer und Büdden nebst verschiedenem Braugeschirr, aus freyer Hand
versteigert, Merlo, Notar…“
Wobei bei der Anzeige nicht klar ist, ob die versteigerten Gegenstände,
insbesondere die Brauereigerätschaften, aus der Brauerei stammten oder nur
dort versteigert wurden.
Aus September 1813 gibt es eine Nennung von Peter Mehl im
Kontext der Geburt seiner Tochter Anna Catharina. In dieser wird er als
Bierbrauer, wohnhaft in der Hochstraße bezeichnet [20:12.09.1813].
Im Anschluss, das genaue Jahr ist nicht bekannt, übernahm Peter
Mehl das in unmittelbarer Nähe, in der Schildergasse 8-10 gelegene Brauhaus
„Zum Engel“ .
Die nächste bekannte Nennung stammt aus dem Jahr 1822 und
erfolgt im Kontext der Versteigerung des Brauhauses „Zum Engel“, nachdem
Peter Mehl und seine Frau verstorben waren [2:07.03.1822]. Anna Christina
Schäfer, die Frau von Peter Mehl, verstarb vermutlich Anfang des Jahres
1822. Zum Zeitpunkt ihres Todes war sie in zweiter Ehe mit dem Bierbrauer
Christian Päfgen verheiratet, der auch die Brauerei "Zum Engel" führte. Mit
diesem hatte sie mit Christina Josephina auch eine gemeinsame Tochter
[2:08.04.1823]. Dies lässt darauf schließen, dass Peter Mehl schon einige
Zeit vor 1822 verstorben war.
(W002) [41:06.09.1809]
Im Jahr 1809 wurden im Brauhaus an der hohen Straße Nro. 6002 Möbel und
Braugeschirr versteigert. Das Peter Mehr die Brauerei zu dieser Zeit führte
ist wahrscheinlich, aber nicht gesichert
Die Brauerei unter Paul Becker (-1822)
Wann Paul Becker die Brauerei „Zum Bäumchen“ übernahm ist nicht
bekannt, ebenso gibt es keinerlei Informationen über die Zeit von Paul
Becker als Brauer in der Brauerei „Zum Bäumchen“. Allerdings ist bekannt,
dass er diese im Jahr 1822 aufgab um eine neue Brauerei in der großen
Budengasse 2 zu gründen .
[2:08.06.1822] „…Anzeige. Einem geehrten Publikum zeige ich
hiermit ergebenst an, daß ich meine Wohnung von der Hochstraße aus dem
Bäumchen in meine neu errichtete Brauerei in der großen Budengasse Nro. 2 im
grünen Wald genannt) wirklich verlegt habe, und die Bierschenke morgen den
8. dieses eröffnen werde. Köln, den 7. Juni 1822. Becker…“
Paul Becker wurde um das Jahr 1790 geboren und war mit der 12
Jahre älteren Anna Margaretha Zaun verheiratet [2:06.05.1854]. Mit Johann
Adam, geboren um 1815, und Anna Maria Becker, geboren um 1818, hatten sie 2
gemeinsame Kinder [2:20.05.1862,2:31.12.1885].
Paul Becker führte die Brauerei in der großen Budengasse bis zu seinem Tod im Jahr
1854 im Alter von 64 Jahren [2:06.05.1854].
(W002) [2:08.06.1822]
Aus dem Bäumchen selbst sind keine Anzeigen von Paul Becker bekannt. In der
Eröffnungsanzeige seiner neuen Brauerei in der großen Budengasse 2 weißt er
aber auf seine alte Brauerei hin. Die Anzeige stammt aus dem Jahr 1822
Die Brauerei in den Jahren 1822 bis 1828
Bekannt ist, dass Paul Becker die Brauerei „Zum Bäumchen“ im
Juli 1822 verließ und das Wilhelm Berntgen die Brauerei im Februar 1828
übernahm [2:08.06.1822,2:17.02.1828]. Wer die Brauerei im Zeitraum von 1822
bis 1828 betrieben hatte, ist leider nicht bekannt.
Die Brauerei unter Wilhelm Berntgen (1828-1858)
Am 17. Februar 1828 eröffnete Wilhelm Berntgen die Brauerei
„Zum Bäumchen“, nachdem er 3 Tage zuvor die Kölnerin Eva Keller geheiratet hatte.
[2, 17.02.1828] „…Daß heute ihre ehelige Verbindung feierten,
und Sonntag den 17. d. ihre Bierschenke auf der Hochstraße im Bäumchen
eröffnen, zeigen ihren Freunden und Gönnern ergebenst an. Köln, den 14.
Febr. 1828. Wilhelm Berntgen. Eva Berntgen, geb. Keller…“
Sowohl Wilhelm Berntgen als auch Eva Keller stammten aus Kölner
Brauerfamilien.
Wilhelm Berntgens Vater, Heinrich Berntgen, führte gesichert
für den Zeitraum von 1804 bis 1822 die Brauerei „Zur Henne“ in der
Ehrenstraße 60 .
Eva Kellers Vater Joseph Keller, führte, gesichert ab dem Jahr
1797, die Brauerei „Zur Büchse“ in der Löwengasse 11 [18]. Joseph Keller
verstarb zwischen 1813 und 1822, nach seinem Tod führte Anna Gertrud Keller,
die Witwe von Joseph Keller und Mutter von Eva Keller, die Brauerei weiter
[21;7:01.12.1838]. Unüblich zu dieser Zeit wurde Anna Gertrud Keller nicht
als „Witwe Joseph Keller“ bezeichnet, sondern mit ihrem eigenen Vornamen
aufgeführt. Sie muss eine sehr durchsetzungsstarke Frau gewesen sein, denn
sie wurde auch explizit als „Bierbrauerin“ bezeichnet und führte die
Brauerei ungefähr 20 Jahre lang, bis sie sich zur Ruhe setzte und die
Brauerei „Zur Büchse“ zum Kauf angeboten wurde [21]. Vermittler beim Verkauf
der Brauerei war Anna Gertrud Kellers Schwiegersohn Wilhelm Berntgen.
[7:22.04.1838] „…Die Bierbrauerei der Frau Wittwe Keller in
der Löwengasse, mit allen dazu erforderlichen Geräthschaften, steht aus
freier Hand zu verkaufen. Bescheid im Hause selbst oder auf der Hochstraße
bei W. Berntgen N. 61…“
Anna Gertrud Keller verstarb im September 1839 im Alter von 71
Jahren [2:13.09.1839].
Im Jahr 1837 kam mit Mathias Kornelius der erste Sohn von
Wilhelm Berntgen und seiner Frau Eva zur Welt [2:12.12.1837] und im Jahr
1838 der zweite Sohn Christian [2:26.09.1871]. Bei oder kurz nach der Geburt
des zweiten Sohnes verstarb Eva Berntgen geb. Keller im Alter von nur 38
Jahren [7:01.12.1838].
Wilhelm Berntgen stand also von heute auf morgen alleine mit 2
Kindern im Säuglingsalter da. Dennoch gelang es ihm die Situation zu
meistern und die Brauerei erfolgreich zu führen.
Etwa zu dieser Zeit begann der Siegeszug des sogenannten
„baierischen Bieres“. In Bayern wusste man durch Erfahrung, dass Gärung bei
kühleren Temperaturen (um 4–10 °C) ein klareres, haltbareres Bier ergab. Man
braute daher vor allem im Winter und lagerte das Bier in kühlen Kellern
(Felsenkeller oder Eiskeller). Existenz und Wirkung der Hefe waren noch
nicht bekannt, aber die Brauer wussten aus Erfahrung, was sie zu tun hatten.
Die Brauer bewahrten den Bodensatz (die Hefe) vom letzten Sud auf und
verwendeten sie weiter – eine Art natürliche Selektion: nur die robusten,
gut gärenden Hefen überlebten und wurden weiterverwendet. So entstand in
Bayern eine gewachsene, stabile untergärige Hefekultur – ohne zu wissen, was
dahinter steckte.
In Köln wurde bayrisches Bier importiert, weil es von Geschmack
und der Haltbarkeit dem Kölner Bier überlegen war. Während es in Bayern und
Umgebung schon einzelne Brauereien gab, welche in großem Maßstab Bier
produzierten, gab es in Köln nur eine Vielzahl von kleinen Brauereien,
welche sich aber mehr und mehr der auswärtigen Konkurrenz ausgesetzt sahen.
Und dann kam im Jahr 1838 Thomas Ehemann nach Köln und errichtete die erste
bayrische Bierbrauerei mitten in Köln . Thomas Ehemann stammte
aus Kitzingen in Unterfranken und betrieb dort parallel eine weitere
Brauerei.
In Köln versuchte man sich gegen die auswärtige Konkurrenz zu
wehren und suchte nach Methoden, dass eigene Bier zu verbessern, oft durch
Zusatz fragwürdiger Substanzen. Die Diskussion um bayrisches Bier,
Bierzusätze (Surrogate) und die Bierqualität wurde ausgiebig in der Kölner
Presse ausgetragen und bei diesen Diskussionen war Wilhelm Berntgen vorne
mit dabei.
Im folgenden Beispiel nimmt Wilhelm Berntgen Stellung zu
Surrogaten, stellt einen Zusammenhang zwischen Brauern aus Kitzingen und
diesen Surrogaten her und verteidigt sein eigenes Bier:
[2, 26.03.1839] „…Wir geben allerdings seiner Behauptung
Raum: daß Er „von Bierliebhabern aufgefordert“, denen er mithin auch nur
dienen wollte, sich in den billigsten Schranken halten mußte, um sich nicht
gegen den allgemeinen Protege (hiesige neue Anlage) zu verstoßen, indem, wie
Er ferner einwendet, man ihn sonst desselben Fehlers hatte bezüchtigen
können, den er an dem Statistiker des „Fränk. Merkurs“ hinsichtlich der
Parteisucht durch Aufschneiderei gerügt hat; ich komme daher, das
Mangelhafte, so viel es mich persönlich betrifft, zu ergänzen. In der
Maischsteuer gab es zwischen der baierischen Firma und mir kein bedeutender,
wie ich vernommen, nicht 60 Thlr. Unterschied und soll nach der
Gegenbehauptung auch mehr darauf ankommen: Welche Brauerei das beste Bier
liefert, weshalb ich dann mich hauptsächlich erhebe, und nicht im mindesten
nachgebe, daß das meine nicht dem bestbefundenen gleich komme. Ich habe dann
bei dem schönen Zuspruch und Vertrauen, dessen sich mein Geschäft
dankbarlichst anerkennend zu erfreuen hat, zur Erhaltung meines Kredits den
Stolz, daß kranke Frauen, Wöchnerinnen von Stande von den Herren Aerzten auf
mein Bier wegen seiner Unbescholtenheit angewiesen werden, bürge auch in der
Hauptsache dafür, daß seine Bestandtheile nur in Hopfen und Braumalz ohne
Alles fernere Zuthun bestehen, indem wir auch hierorts bis zur Vereinigung
mit Kitzingen und der hiesigen neuen Anlage außer dem vorne bezeichneten,
kein anderes Arcanum oder Surrogat kannten. So wie nun die Noth erfinden
lernt, auch die Zeit nicht stehen bleibt, wenn mit besondern Vortheilen und
Intriguen bewaffnet, dem ehrlichen Manne, seiner Nahrung und dem Kredite zu
Leibe gesetzt wird, so in gleichem Maße erlaube man mir, bei der
Versicherung, meine Waare noch gehaltreicher machen zu können und wollen,
öffentlich und feierlich die Frage: „Kann und darf das orientalische oder
Gewürz Catechu (auch japanische Erde genannt) den Hopfen im Biere ersetzen?“
Merklich wurde für meine Brauerei der Gewinnst gewesen sein, wenn ich mich
zum Gebrauch dieses heftigen Bitters hätte anschicken können, was nur 10
Thlr. per Centner kosten soll, wo ich 60 Thlr. für guten Hopfen bezahlen muß,
wobei ich denn noch die große Unbequemlichkeit habe, beim Ablassen des
fertigen Bieres auf das Kühlschiff einen ungeheuer großen Korb zum Auffangen
der nun abgenutzten Hopfen zu setzen, wogegen die, so sich des Catechu
bedienen, in einem großen Kuchensieb fast Alles aufnehmen können. Bitte
sogar, mein öffentliches Gesuch in sanitätspolizeilicher Hinsicht einer
Antwort zu würdigen, wovon die Kosten mir zu Last fallen sollen; mich secret
hierüber befragt und erkundigt, mußte ich unschlüssig bleiben, es bis heute
anzuwenden, weil nach Aussage bewährter Materialisten dieses Catechu
meistens zur Haltbarkeit der Farbe in großen Färbereien gebraucht wird,
seiner adstringirenden Wirkung wegen früher aber nie statt der Hopfen zum
Biere gebraucht worden ist. Wilhelm Berntgen, Hochstraße Nr. 61…“
Die nächste Erwähnung von Wilhelm Berntgen stammt aus dem Jahr
1844. In der Ankündigung einer gerichtlichen Versteigerung eines Hauses in
der kleinen Budengasse 3 taucht Wilhelm Berntgen als "Herr Wilhelm Berntgen,
Bierbrauer" auf. Er war einer der Erben der verstorbenen Christine Abitabile,
unter denen es wohl keine Einigung gab [2:03.03.1844].
Während der Revolution im Jahr 1848 war Wilhelm Berntgen
Mitglied der über 6.000 Mann starken Kölner Bürgerwehr, genauer gesagt war
er Zugfüher der 13. Kompanie [44].
Das Wilhelm Berntgen dem bayerischen Bier weiterhin kritisch
gegenüber stand und an den alten Methoden des Brauens festhielt, lässt sich
aus folgender Anzeige aus dem Jahr 1850 ablesen:
[22:16.04.1850] „…Die alten guten Zeiten kommen wieder. Einem
allgemeinen Bedürfnisse, nichts weniger den allseits geäußerten Wünschen
entgegen zu kommen beehre ich mich, ergebenst anzuzeigen, daß das alte,
gute, geschätzte kölner Braun=Lagerdier bei mir in Anslich genommen ist.
Preis per Quart außer dem Hause 2 ½ Sgr., im Hause wie gewöhnlich. W.
Berntgen, Bierbrauer. Hochstraße 61…“
Im März 1858 kündigte Wilhelm Berntgen dann den Verkauf seiner
Brauerei in der Kölner Presse an:
[2:28.03.1858] „…Haus=Verkauf zu Köln. Herr Wilhelm Berndgen
zu Köln läßt am Sonnabend den 3. April 1858, Nachmittags 3 Uhr, durch den
unterzeichneten Notar, auf dessen Amtsstube, Mohrenstraße 28 zu Köln, das zu
Köln auf der Hochstraße sub Nr. 61 gelegene, „Zum Bäumchen“ genannte Haus
mit An= und Zubehörungen, unter günstigen Bedingungen einer öffentlichen
Versteigerung an den Meist= und Letztbietenden aussetzen. Köln, 27. März
1858. Meyer, Notar…“
Nur wenige Tage später, einen Tag vor der geplanten
Versteigerung, wurde der Verkauf dann wieder abgeblasen.
[2:02.04.1858] „…Der auf Samstag den 3. d. Mts., Nachmittags
3 Uhr, auf meiner Amtsstube angekündigte Verkauf des Hauses Hochstraße Nr.
61 findet nicht Statt. Köln, 1. April 1858. Meyer, Notar…
Die Gründe für die Ankündigung und den Rückzug des Verkaufs
sind nicht klar, in jedem Fall wurde die Brauerei dann doch kurz danach an Joseph
Spilles verkauft.
Nachdem Wilhelm Berntgen die Brauerei in der Hohestraße 30
Jahre lang geführt hatte, setzte er sich nicht etwas zur Ruhe, sondern
übernahm die Führung einer schon länger bestehenden Brauerei in der
Spielmannsgasse 34 [23,24].
Die Brauerei in der Spielmannsgasse führte Wilhelm Berntgen
noch bis ins Jahr 1865 und übergab sie dann an seinen Sohn Christian
Berntgen [25,26]. Im Jahr 1866 verstarb Wilhelm Berntgen, sein Sohn
Christian starb 5 Jahre später im Alter von nur 43 Jahren
[2:28.04.1866,2:26.09.1871].
(KK034) [42]
Kreuter-Karte der Hohestraße (auch noch als "vor den Augustinern"
bezeichnet) um 1845. Anklicken für eine Detaildarstellung des Hauses Nr. 62
(W005) [7:22.04.1838]
Wilhelm Berntgen half seiner Schwiegermutter beim Verkauf ihrer Brauerei in
der Löwengasse. Anzeige aus dem Jahr 1838
(W002) [22:16.04.1850]
"Die alten guten Zeiten kommen wieder". Anzeige von Wilhelm Berntgen aus dem
Jahr 1850
(W003) [2:08.12.1855]
Die Karnevalsgesellschaft "Nüssel" hatte ihr Stammlokal in der Brauerei in
der Hochstraße 61. Hier wird diese als "Local des Herrn
Peckelfleisch-Berntgen" bezeichnet, der Hintergrund für Peckelfleich ist
unklar.
(W001) [2:28.03.1858]
Im Jahr 1858 bot Wilhelm Berntgen die Brauerei zum Verkauf an. Der Verkauf
wurde kurz danach zwar wieder abgeblasen, dennoch erwarb Joseph Spilles kurz
darauf die Brauerei
(W006) [2:02.05.1866]
Wilhelm Berntgen verstarb im Jahr 1866. Einladung der Familie zu den
feierlichen Erequien
(F001) [45]
Das Portrait von Wilhelm Berntgen wurde im Jahr 1870, als 4 Jahre nach
seinem Tod angefertigt. Es zeigt Wilhelm Berntgen als Mitglied der Kölner
Bürgerwehr im Jahr 1848
Die Brauerei unter Joseph Spilles (1858-1875)
Joseph Spilles übernahm die bis dahin von Wilhelm Berntgen
geführte Brauerei an der Hohestraße 61 am 16. Oktober 1858 und kündigte dies
in der Kölner Presse wie folgt an:
[2:17.11.1858] „…Wirthschafts-Eröffnung. Meinen Freunden und
Gönnern hiermit die ergebene Anzeige, daß ich mit dem heutigen Tage meine
Wirthschaft und Restauration Hochstraße Nr. 61, eröffnet habe. Köln, den 16.
October 1858. Joseph Spilles…“
Joseph Spilles stammte aus Wiedesheim (heute ein Ortsteil von
Euskirchen). Vermutlich war er der Sohn von Gerhard Spilles, der in
Odendorf, in direkter Nähe von Wiedesheim, eine Gastwirtschaft betrieb.
Jospeh Spilles heiratete im September 1849 die aus Titz, einer im
nördlichen Teil des Kreises Düren gelegenen Gemeinde, stammende Maria
Magdalena Hubertine Behr [2:30.09.1849].
Nur 2 Monate nach der Hochzeit wurde mit Anna Maria Clara
ihre erste gemeinsame Tochter geboren [22:02.12.1849]. Ihr folgten mit
Petronella Hubertine Clara (1852), Peter Joseph Hubert (1854), Clara (1856),
Anna Maria Hubertine (1858), Bernhard Joseph Hubert (1859), Anna Maria
Hubertine (1861) und Anna Maria Hubertine (1862) weitere 6 gemeinsame Kinder
[2:04.01.1852,2:18.01.1854,2:01.07.1856,2:28.10.1858,2:21.11.1859,2:21.03.1861,2:21.11.1862].
Wie die teilweise Namensgleichheit schon vermuten lässt, starben von den 7
Kindern mindestens 3 bereits im Kleinkindalter
[2:25.12.1858,2:18.04.1859,2:02.07.1863].
Bereits in der Nennung seiner Heirat aus dem Jahr 1849 wurde
Joseph Spilles als Bierbrauer bezeichnet. Kurz vor der Heirat hatte er die
im Jahr 1842 stillgelegte Brauerei am kleinen Griechenmarkt
68 wiedereröffnet [3].
Im Oktober 1858 übernahm Joseph Spilles dann die Brauerei in
der Hohestraße 61 von Wilhelm Berntgen. Über die Jahre der Führung der
Brauerei im Bäumchen durch Joseph Spilles ist außer ein paar Anzeigen von
Vereinen, welche dort ihre Versammlungen austrugen, nicht viel bekannt.
In einer der seltenen Anzeigen aus dem Jahr 1866 nennt Joseph
Spilles auch noch einmal den Namen der Brauerei.
[2:06.12.1866] „…Knupp das Glas 15 Pf., Hochstraße 61, im
Bäumchen…“
Bekannt ist, dass im Jahr 1868 ein gewisser Heinrich Schneider
als Bierbrauer in der Brauerei „im Bäumchen“ tätig war [2:08.1.1868].
Aus dem Jahr 1873 gibt es eine weitere Anzeige, in der Jospeh
Spilles sein „März-Lagerbier“ anpreist.
[2:22.04.1873] „…Heute habe ich mein März-Lagerbier in
Anstich genommen, per Glas 15 Pfg. Jos. Spilles, Hochstraße 61…“
Joseph Spilles führte die Brauerei insgesamt 18 Jahre, bevor er
sie im Jahr 1875 an Peter Didollf übergab und sich in der Gereonstraße 29
zur Ruhe setze [27]. Joseph Spilles blieb aber weiterhin Eigentümer der
Brauerei in der Hohestraße 61.
[2:30.10.1875] „…Meinen Freunden und Gönnern die ergebene
Anzeige, daß ich mit dem heutigen Tage meine Bierbrauerei und Restauration
an Herrn Peter Didolff übertragen habe. Indem ich für das mir geschenkte
Wohlwollen bestens danke, bitte ich dasselbe auf meinen Nachfolger
übertragen zu wollen. Joseph Spilles…“
Im Jahr 1876 berichtete die Kölner Presse über einen
Unglücksfall, der einem jungen Mann widerfuhr, welcher lange Jahre bei
Joseph Spilles als Zapfjunge tätig gewesen war.
[2:07.02.1876] „…Schon wieder ist ein trauriger Unglücksfall
zu berichten. Ein junger Mensch, der mehrere Jahre hindurch in der
Wirthschaft von Spilles an der Hochstraße als Zapfjunge diente und dort bei
allen Gästen wegen seiner Gewandtheit und seines freundlichen Benehmens
beliebt war, fiel vorgestern in der Brauerei Zum Salzrümpchen, wo er als
Lehrling eingetreten, in die kochende Maische und verbrannte sich dabei so
erheblich, daß er nach einigen Stunden im Bürger=Hospital verstarb…“
Im Februar 1886 bot Joseph Spilles die Brauerei in der
Hohestraße 61 dann zum Verkauf an.
[2:27.02.1886] „…Das Haus Hochstraße Nr. 61, in welchem seit
langer Zeit eine Kölner Bierbrauerei mit bestem Erfolge betrieben wurde, ist
unter günstigen Bedingungen zu verkaufen. Näheres beim Eigentümer
Gereonstraße 29, nachmittags 2-5…“
Ein Verkauf kam zu diesem Zeitpunkt aber nicht zustande. Ein
halbes Jahr später, im August 1886, verstarb Joseph Spilles im Alter von 71
Jahren [28:09.08.1886].
(W002) [2:17.10.1858]
Joseph Spilles eröffnete seine Brauerei in der Hohestraße 61 am 16. Oktober
1858 und kündigte dies mit folgender Anzeige an
(W007) [2:20.01.1850]
Vor Übernahme der Brauerei in der Hohestraße 61 führte Jospeh Spilles von
1849 bis 1858 eine Brauerei am kleinen Griechenmarkt 68. Dort traf sich auch
der St. Mauritius-Verein. Anzeige aus dem Jahr 1850
(W008) [2:36.01.1851]
Auch der 2. gesellige Dombau-Verein traf sich bei Herrn Spilles am kleinen
Griechenmarkt. Anzeige aus dem Jahr 1851
(W009) [2:19.10.1862]
Die Schneidergesellen von Köln trafen sich bei Herrn Spilles auf der
Hochstraße. Anzeige aus dem Jahr 1862
(W010) [2:18.03.1865]
Auch die Karnevalsgesellschaft "Plaate-Köpp" traf sich bei Herrn Spilles in
der Hochstraße
(W004) [2:06.12.1866]
Knupp, das Glas für 15 Pfennig. Anzeige von Joseph Spilles aus dem Jahr 1866
(W005) [2:22.04.1873]
Anzeige für März-Lagerbier aus dem Jahr 1873
(W001) [2:30.10.1875]
Anzeige von Jospeh Spilles zur Übergabe der Brauerei an Peter Didolff aus
Oktober 1875
(W006) [2:27.02.1886]
Auch nach dem sich Joseph Spilles im Jahr 1875 zur Ruhe gesetzt hatte, blieb
er Eigentümer der Brauerei. Im Jahr 1886 bot er sie dann zum Verkauf an
Die Brauerei unter Peter Didolff (1875-1878)
Peter Didolff übernahm die Führung der Brauerei „Im Bäumchen“
im Oktober 1875 und schaltete seinen Teil der Übergabeanzeige wie folgt:
[2:30.10.1875] „…Bezugnehmend auf vorstehende Anzeige, bitte
ich das meinem Vorgänger geschenkte Zutrauen gütigst auf mich übertragen zu
wollen. Es wird mein Bestreben sein, durch gute Speisen und Getränke meine
geehrten Gäste auf das Beste zu befriedigen. Indem ich um geneigten Zuspruch
bitte, zeichne hochachtungsvoll Peter Didolff…“
Peter Didolff stammte auch Echtz bei Düren und war mit der
vermutlich aus der Dürener Gegend stammenden Anna Gertrud Krautz verheiratet
[29]. Bekannt ist mit Jacob Hubert ein gemeinsamer Sohn, welcher aber im
Alter von 10 Jahren verstarb [2:04.11.1875,29].
In den Kölner Adressbüchern ist Peter Didolff das erst Mal im
Jahr 1876 verzeichnet, er wird also vermutlich zeitgleich mit der Übernahme
der Brauerei im Oktober 1875 nach Köln gekommen sein [27,30]. Wo er vorher
das Brauen erlernt hat ist unklar, in Düren und Umgebung ist keine Brauerei
gleichen Namens bekannt [3].
Über die kurze Zeit, in der Peter Didolff die Brauerei führte
ist nur wenig bekannt. Im Jahr 1876 schaltet er folgende Anzeige:
[2:27.02.1876] „…Während des Zuges am Fastnachts-Montag sind
Fenster zu vermiethen, Hochstraße 61…“
Der Rosenmontagszug fand auch schon vor 150 Jahren statt und
geschäftstüchtig wie Peter Didolff war, versuchte er Fensterplätze zu
vermieten, denn die Brauerei lag direkt am Weg des Rosenmontagszugs. Dies
ist also keine Erfindung der Neuzeit.
Aus dem gleichen Jahr ist auch eine Anzeige von Peter Didolff
mit Bezug zu seinem Bier bekannt.
[2:19.04.1876] „…Donnerstag den 20. ds. nehme mein aus reinem
Hopfen und Malz gebrautes Lagerbier in Anstich. Auch empfehle vorzügliche
gute Küche. Peter Didolff, Hochstraße 61…“
Vermutlich im Januar 1878 vielleicht auch einige Monate früher,
gab Peter Didolff die Führung der Brauerei in der Hohestraße 61 auf und
verzog in die Nähe seiner ursprünglichen Heimat, nach Gleich bei Düren, wo
zumindest seine Mutter noch lebte (sein Vater war bereits im Jahr 1854 im
Alter von 31 Jahren verstorben).
Dort verstarb Peter Didolff am 25. März 1880 im Alter von nur
30 Jahren [29,31,32,33:1879].
(W001) [2:27.02.1876]
Geschäftstüchtig war Peter Didolff, er bot zum Rosenmontagszug Fenster
seiner Restauration zur Miete an. Anzeige aus dem Jahr 1876
(W002) [2:19.04.1876]
Im Jahr 1876 warb Peter Didolff für sein selbstgebrautes Lagerbier
Die Brauerei unter Theodor Nettesheim (1878-1886)
Die erste bekannte Nennung von Theodor Nettesheim erfolgt im
Kontext seiner Heirat. Im Januar 1878 heiratete er die aus Merl (heute ein
Ortsteil von Meckenheim) stammende Catharina Zorn [2:13.01.1878]. In dieser
Nennung wird er bereits als „Bierbrauer“ bezeichnet, vermutlich hatte er
kurz zuvor die Brauerei in der Hohestraße 61 von Peter Didolff übernommen.
Theodor Nettesheim selbst stammte aus Köln und wurde um das Jahr 1851
geboren [34:14.04.1914].
Schon damals nicht unüblich, wurde ein Ehevertrag geschlossen,
die vereinbarte Gütergemeinschaft hingegen war eher unüblich.
[2, 24.01.1878] „…Durch einen vor dem königlichen Notar
Cardauns zu Köln am 9. Januar 1878 zwischen Theodor Nettesheim, Bierbrauer,
und Catharina Zorn, ohne Geschäft, beide zu Köln wohnend, abgeschlossenen
Ehevertrag, wovon ein Auszug heute in dem Audienzsaale des hiesigen
Handelsgerichts in der dazu bestimmten Tabelle angeheftet und öffentlich
ausgestellt worden, haben die genannten Contrahenten bestimmt, daß unter
ihnen die gesetzliche Gütergemeinschaft bestehen soll. Für die Richtigkeit
des Auszugs: Köln, den 18. Januar 1878. Der Handelsgerichts-Secretair,
Weber…“
Über die weitere Führung der Brauerei durch Theodor Nettesheim
ist kaum etwas bekannt. Einzig eine Anzeige im Kontext der Renovierung
seiner Restauration aus dem Jahr 1885 ist bekannt.
[7:03.05.1885] „…Kölner Lagerbier! Die ergebene Anzeige, daß
die Restaurierung meines Lokals beendet ist und daß ich mein vorzügliches
Kölner Lagerbier in Anstich genommen. Das konsumierende Publikum mache ich
höflichst darauf aufmerksam, daß das von mir verzapfte Kölner Lagerbier
eigenes Gebräu und nur von Prima Prima Hopfen und Malz hergestellt ist, und
bitte ich dieses nicht mit dem jetzt von verschiedenen Seiten durch Reclame
u.s.w. angebotenen Bockbier zu verwechseln. Theodor Nettesheim, Brauerei u.
Restauration, Hohestraße 61, in unmittelbarer Nähe der Schildergasse…“
Nach 8 Jahren, im Oktober 1886, war dann Schluss. Theodor
Nettesheim übergab die Führung der Brauerei an Franz Degraa und setzte sich im
Alter von sage und schreibe 37 Jahren zur Ruhe und verzog an den
Hohenstaufenring 50.
[7:02.10.1886] „…Geschäfts-Uebertragung. Einem Hochgeehrten
Publikum von Köln und Umgebung mache ich hiermit die ergebene Mitteilung,
daß ich dem Herrn Franz Degraa meine Bierbrauerei und Restauration
Hochstraße 61 übertragen habe und das derselbe von Samstag den 2. October ab
dieselbe auf eigene Rechnung fortführen wird. Ich bitte, das mit in so
überaus reichem Maße geschenkte Wohlwollen auch auf meinen Nachfolger
übertragen zu wollen. Hochachtungsvoll Theodor Nettesheim…“
Beruflich tätig war Theodor Nettesheim in der Folge nicht mehr,
aber er engagierte sich zumindest ehrenamtlich. So war er phasenweise
Ortsvorsteher des Kölner Bezirks 14b, Mitglied im Kirchenvorstand von St.
Aposteln und Ritter des Ordens vom heiligen Grabe
[34:27.12.1897,34:14.04.1914].
Im Januar 1900 verstarb Theodor Nettesheims Frau Catharina
Nettesheim geb. Zorn im Alter von 41 Jahren [2:30.01.1900]. Ein Jahr später,
im April 1901, heiratete Theodor Nettesheim erneut, diesmal die Kölnerin
Elisabeth Schneider, verwitwete Breuer [2:15.04.1901].
Nach weiteren 12 Jahren Ehe verstarb Elisabeth Nettesheim geb.
Schneider im Juni 1913. Sie wurde 58 Jahre alt [34:03.06.1913]. Ein Jahr
später, im April 1914, verstarb auch Theodor Nettesheim im Alter von 63
Jahren [34:14.04.1914].
(W001) [7:03.05.1885]
Nach Renovierung des Lokals wird wieder selbstgebrautes Kölner Lagerbier
ausgeschenkt. Anzeige aus März 1885
(W003) [2:30.01.1900]
Todesanzeige von Catharina Nettesheim geb. Zorn, der ersten Frau von Theodor
Nettesheim, welche im Januar 1900 verstarb
(W004) [34:03.06.1913]
Todesanzeige von Elise Nettesheim geb. Schneider, der zweiten Frau von
Theodor Nettesheim, welche im Juni 1913 verstarb
(W005) [34:14.04.1914]
Todesanzeige von Theodor Nettesheim, welcher im April 1914 im Alter von 63
Jahren verstarb
Die Brauerei unter Franz Degraa (1886-1894)
Franz Degraa vervollständigte die Geschäfts-Übertragungsanzeige
von Theodor Nettesheim wie folgt und übernahm die Führung der Brauer „Im
Bäumchen“ in der Hohestraße 61.
[7:02.10.1886] „…Geschäfts-Uebertragung. … In dem ich mich
auf vorstehende Mitteilung beziehe, wird es mein festes Bestreben sein, den
guten Ruf der Restauration stets aufrecht zu erhalten und lade ich das
verehrte Publikum, insbesondere auch meine Gönner und Freunde, hierdurch
ganz ergebenst ein. Hochachtungsvoll Franz Degraa…“
Franz Peter Alois Degraa, genannt Franz Degra wurde am 30. Juni
1859 als Sohn von Franz Hubert Degraa und seiner Frau Therese Degraa geb.
Klinkenberg in Aachen geboren [29].
Die Familie Degraa war eine sehr bekannte Aachener
Brauerei-Familie. Franz Degraas Großonkel Peter Joseph Degraa gründete im
Jahr 1821 die Aachener Brauerei Degraa [29,35], diese Brauerei existierte in
verschiedenen Konstellationen bis zum Jahr 1989, in dem sie von der Kölner
Dom-Brauerei übernommen wurde . Franz Degraas Vater Franz Hubert
Degraa war ebenfalls Besitzer einer Aachener Brauerei namens Degraa, diese
war aber in der Alexanderstraße 37 gelegen (die Brauerei des Großonkels lag
in der Königstraße 17) [3].
Vielleicht war die Übernahme der Brauerei „im Bäumchen“ ein
Versuch der Aachener Familie Degraa auch in Köln Fuß zu fassen.
Im September 1886 heiratet Franz Degraa die vermutlich auch aus
Aachen stammende Maria Katharina Josefina Johanna Thyssen [37:29.09.1886].
Die Hochzeit fand in Aachen statt, ganze 5 Tage vor der Übernahme der Kölner
Brauerei.
Franz Degraa und seine Frau Johanna hatten mit Maria Franziska
Johanna Katharina (geb. 1887), Peter (?), Maira Louise Erna (geb. 1893),
Franz (?) und Josef (?) insgesamt 5 gemeinsame Kinder
[28:05.09.1887,2:30.03.1904,28:06.06.1893].
Im Gegensatz zur Brauerei in der Kölner Hohestraße lief die
Brauerei des Vaters in Aachen wohl nicht so gut. Im April 1888 wurde ein
Konkursverfahren eröffnet. Trotz Versuche die Brauerei weiterzuführen und
später auch des Verkaufs der Brauerei, wurde die Brauerei Ende 1888
geschlossen [3].
[2:30.11.1888] „…Am Mittwoch den 12. December 1888,
vormittags 11 Uhr, wird vor dem Königlichen Amtsgerichte V zu Aachen die mit
Mälzerei, Brennerei und Ausschank verbundene Dampf=Weißbier=Brauerei von
Franz Degraa zu Aachen, Alexanderstraße 37, welche sich guter Lage und
Kundschaft erfreut, verkauft. Taxwert des Grund und Bodens nebst
Gebäulichkeiten 170912 Mark 15 Pf., der maschinellen Einrichtung 10599 Mark
37 Pf., der Kupfer= und Messing=Gegenstände 2817 Mark, der Bottiche u.
Fässer 5059 Mark. Die Anschaffung einer Eismaschine würde die Umwandlung des
Etablissements in eine Baierisch=Bier-Brauerei mit verhältnismäßig geringen
Kosten und baulichen Veränderungen ermöglichen…“
Die Verkaufsanzeige gibt einige Hinweise. Vermutlich hatte die
Brauerei einen Modernisierungsbedarf, viele Brauereien waren zu dieser Zeit
schon mit einer Eismaschine ausgestattet und damit konkurrenzfähiger. Der
Wink mit der Baierischen Bierbrauerei könnte darauf hindeuten, dass auch in
Aachen das alteingesessene Bier nicht mehr so gefragt war.
Vermutlich modernisierte Franz Degraa die Brauerei in der
Hohestraße in den folgenden Jahren, darauf lassen einige Anzeigen in denen
Lagerfässer oder auch eine Eismaschine zum Verkauf angeboten wurden.
[2:22.02.1889] „…20 Stück Lagerfaß, 12 bis 22 Hektoliter
Inhalt, in sehr gutem Zustand billig zu verkaufen. Degraa, Köln, Hohestraße
61…“
[2:08.05.1892] „…Kühlapparat Pat. Schmidt, Mannheim, 20
Hectol. Kühlfähigkeit per Stunde, billig zu verkaufen. Degraa, Köln,
Hohestraße 61…“
Bis 1890 hatte Franz Degraa die Brauerei in der Hohestraße 61
nur gepachtet, im Jahr 1890 erwarb er dann die Brauerei von den Erben von
Joseph Spilles [13:1889,1890].
Genauso erfolgreich wie als Brauer, war Franz Degraa als
Brieftaubenzüchter, wie die folgende Anzeige aus dem Jahr 1890 nahelegt.
[34:07.08.1890] „…Vereinsnachrichten. Wettfliegen. ... Die
Kölner Brieftauben-Gesellschaft Sport veranstaltet mit einer verhältnismäßig
großen Anzahl, 50 Stück, Tauben das zweite Preisfliegen von Würzburg aus,
246 Kilometer Fluglinie. Dasselbe fand, da die Thierchen des schlechten
Wetters wegen am Sonntag nicht aufgelassen werden konnten, Montag statt. Die
Tauben wurden Morgens 9 Uhr 10 Min. in Freiheit gesetzt, und die erste,
Eigenthum der Hrn. Brauereibesitzers Degraa, kam hier um 1 Uhr 13 Min.
Nachmittags im Vereinslocale an. In kurzen Zwischenpausen folgten noch elf
andere Tauben. Preise errangen folgende Herren: Franz Degraa den 1., Jacob
Offermann den 2., ...“
Für sein Bier warb Franz Degraa kaum, und wenn, dann in
minimalistischer Form.
[34:07.12.1891] „…Ausschank Bockbier, Franz Degraa, Hohestr.
61…“
Im Jahr 1893 erwarb Franz Degraa von den Erben Keller die
Gebäude in der Lindenburger Allee 18 in Lindenthal, in denen zuletzt eine Schreinerei
betrieben worden war [33:1892,1893]. Die Frau von Wilhelm Berntgen, welcher
die Brauerei in der Zeit von 1828 bis 1858 betrieben hatte, war ebenfalls
eine geborene Keller. Ob es hier eine Verbindung gab, ist nicht bekannt. In
der Lindenburger Allee 18 erbaute Franz Degraa eine neue Brauerei mit
wesentlich höherer Braukapazität als die kleine Hausbrauerei in der Hohestraße 61 besaß. Folgerichtig schloss er die Brauerei in der Hohestraße
61 im Jahr 1894 und eröffnete seine neue Brauerei in Lindenthal .
Franz Degraa verkaufte die Brauerei in der Hohestraße an Carl
Schirp, der dort noch im Jahr 1894 eine Gummiwarenfabrik eröffnete
[22:1904,34:13.12.1894]. Damit war die lange Brautradition in der Hohestraße
61 endgültig beendet.
(SB)
Auszug aus dem Stammbaum der Familie Degraa in Köln und Aachen. Die
Datenlage ist unvollständig, Hilfe ist willkommen
(W004) [2:03.10.1886]
Am 2. Oktober 1886 übernahm Franz Degraa die Brauerei in der Hohestraße 61
von Theodor Nettesheim
(W008) [39:02.07.1859]
Anzeige zur Geburt von Franz Degraa am 30. Juni 1859, geschaltet von seinem
gleichnamigen Vater, seineszeichens Brauer in Aachen
(W002) [2:22.02.1889]
Vermutlich im Kontext einer Modernisierung standen im Jahr 1889 Lagerfässer
zum Verkauf
(W001) [2:04.06.1891]
Im Juni 1891 bot Franz Degraa erneut Lagerfässer zum Verkauf an
(W009) [39:22.04.1888]
Während die Brauerei von Franz Degraa in Köln gut lief musste sein Vater mit
seiner Brauerei in Aachen im Jahr 1888 Konkurs anmelden
(W012) [34:07.12.1891]
Anzeige für Bockbier von Franz Degraa aus dem Jahr 1891
(W007) [34:13.12.1894]
Anzeige der Gummiwarenfabrik von Carl Schirp aus Dezember 1894
(W006) [34:25.04.1895]
Anzeige der Gummifabrik von Carl Schirp aus April 1895
(W005) [33:1895]
Adressbucheintrag der Gummiwarenfabrik von Carl Schirp in der Hohestraße 61
aus dem Jahr 1895
Übersicht der Firmierungen
Zeitraum
Firmierung
Anmerkung
(-1773)
? Röseling, Brauerei "zum Bäumgen"
Vor den Augustinern. Bestand schon vor 1773
(1795)-(1797)
Johann Hubert Steingass, Brauerei "Zum Bäumchen"
(1813)
Peter Mehl, Brauerei "Zum Bäumchen"
Rue Haute n. 61
(-1822)
Paul Becker, Brauerei "Zum Bäumchen"
Ob die Brauerei zwischen 1822 und 1828 betrieben wurde
ist unklar
1828-1858
Wilhelm Berntgen, Brauerei "Zum Bäumchen"
Hohestraße 61
1858-1875
Joseph Spilles, Brauerei "Im Bäumchen"
1875-1878
Brauerei Peter Didolff
Ob die Brauerei zu dieser Zeit noch "Im Bäumchen" hieß
ist unklar, es ist keine explizite Nennung bekannt
1878-1886
Brauerei Theodor Nettesheim
1886-1894
Brauerei Franz Degraa
Anmerkungen
•
In einem Bericht über alte Brauereien aus dem Jahr 1875 sind
3 verschiedene Brauereien mit dem Namen „Im Bäumchen“ aufgeführt, die
alle schon im 18ten Jahrhundert existierten und die teilweise auch noch
im 19ten Jahrhundert parallel existierten [2:17.06.1875]. Dies sind:
1) Die hier beschriebene Brauerei „Im Bäumchen“, welche zumindest von
1875 bis 1898 bestand
2) Die Brauerei „Im Bäumchen“ in der Schmierstraße 3899. Nachgewiesen ab
dem Jahr 1797. Die Schmierstraße, oder auch Schmiergasse, wurde um 1813
in die wesentlich unbedenklicher klingende Komödienstraße umbenannt. Die
Brauerei „Im Bäumchen“ in der Kömodienstraße 28 wurde zuletzt von Jakob
Krings betrieben und schloss im Jahr 1872 [18,19,3]
3) Die Brauerei „Im Bäumchen“ auf dem Eigelstein. Auf dem Eigelstein gab
es eine Vielzahl von Brauereien, hier ist die Zuordnung leider nicht
bekannt.
•
Von der Brauerei "Zum Bäumchen" sind keinerlei Brauereiwerbemittel wie Postkarten,
Flaschen, Gläser oder Krüge bekannt
Quellenverzeichnis
1
Empfänger-Liste über ausgeführte Brauerei-Kühlanlagen“ der
VDK (Vereinigte Deutsche Kältemaschinenfabriken,
Borsig-Germania-Humboldt)
"Brauerei-Verzeichnis Deutschland", Michael Gorytzka,
Manfred Friedrich, herausgegeben von der Fördergemeinschaft von
Brauerei-Werbemittel-Sammlern e.V. (FvB), Ausgabe November 2009
4
Adressbuch für die gesamte Brau-Industrie Europas, Band I:
Deutschland, 8. Jahrgang, 1910, Verlag von Eisenschmidt & Schulze GmbH,
Leipzig